In diesem Artikel teile ich meine Gedanken darüber, inwieweit es sinnvoll ist zu versuchen, die perfekte Definition für ein MVP ( Minimum Viable Product ) zu finden und mache einen Vorschlag, wie mit dem Begriff MVP im Arbeitskontext umzugehen ist.
Lass uns mit einer ersten Definition beginnen
Eric Ries: Das Minimum Viable Product ist diejenige Version eines neuen Produkts, mit der ein Team mit dem geringsten Aufwand die maximale Menge an validiertem Lernen über Kunden sammeln kann“
https://de.wikipedia.org/wiki/Eric_Ries
Der Versuch, die perfekte Definition zu finden!
Als ich 2011 anfing, als Entwickler in einem Scrum-Team zu arbeiten, dauerte es nicht allzu lange, bis ich mit dem Begriff MVP in Berührung kam. Ich habe ein wenig recherchiert und jemand empfahl mir das Buch „The Lean Startup“ von Eric Ries zu lesen. Während ich in verschiedenen Umgebungen und Rollen im agilen Kontext gearbeitet habe, bin ich einige Mal in (hitzige) Diskussionen geraten, was ein MVP wirklich ist, aber ich konnte mein Gegenüber selten davon überzeugen, dass „meine“ Definition die Richtige war.
Gibt es eine perfekte Definition?
Um ein besseres Verständnis zu bekommen, habe ich mehr Bücher über agiles Produktmanagement und Produktinnovation gelesen. Mit der Zeit las ich Jeff Pattons wunderbares Buch User Story Mapping, Ashs Maurya Running Lean und Marty Cagans Inspired. Je mehr Bücher ich las, desto mehr wurde mir klar, dass es keine perfekte Definition für den Begriff MVP gibt. Lest euch dafür vier weitere MVP Definitionen durch:
Jeff Patton:
Das Minimum Viable Product ist die kleinste Produktversion, die erfolgreich die gewünschten Ergebnisse erreicht.
Das Minimum Viable Solution ist die kleinste Version einer Lösung, die erfolgreich die gewünschten Ergebnisse erzielt.
Ein minimal lebensfähiges Produkt ist auch das kleinste, was du erstellen oder tun könntest, um eine Annahme zu beweisen oder zu widerlegen“
https://www.jpattonassociates.com/user-story-mapping/
Frank Robinson*: Das MVP ist das Produkt in der richtigen Größe für dein Unternehmen und deinen Kunden. Es ist groß genug, um Akzeptanz, Zufriedenheit und Verkäufe zu bewirken, aber nicht so groß, dass es aufgebläht und riskant ist. Technisch gesehen, ist es das Produkt mit maximalem ROI geteilt durch das Risiko. Der MVP wird durch die Umsatzgewichtung der wichtigsten Features für deine relevantesten Kunden bestimmt, nicht durch die Zusammenfassung aller Anfragen für alle Features von allen Kunden.“
Frank Robinson war die Person, die den Begriff MVP zum ersten Mal 2001 geprägt hat.
Marty Cagan: Der MVP sollte ein Prototyp sein, kein Produkt! Prototypen werden in der Discovery Phase verwendet und Produkte in der Delivery Phase.“
https://svpg.com
Ash Maurya: Ein Minimum Viable Product ist das kleinste Ding, das du bauen kannst, das dem Kunden Wert liefert (und als Bonus einen Teil dieses Wertes wieder einfängt).“
https://blog.leanstack.com
Diese weiteren Definitionen unterscheiden sich in ihrer Aussage, was ein MVP ist. Daraus habe ich für mich abgeleitet, dass es für mich keinen Sinn ergibt, nach einer perfekten Definition zu suchen. Stattdessen ist es sinnvoller, eine kontext-spezifische Definition zu erstellen, die für dein Arbeitsumfeld sinnvoll ist.
Ist es ein Prototyp oder ein Produkt?
Aus meiner Sicht gibt es zwei Varianten eines MVP mit unterschiedlichen Ergebnistypen
a) Protoype
b) Produkt
Der Hauptunterschied zwischen diesen beiden Varianten ist, dass du bei Variante a) eine Idee mit Hilfe eines Prototypen verprobst, um herauszufinden um die Potential für einen neuen Markt bietet. In diesem Fall willst du schnell und günstig sein, um nicht zu viel Zeit in eine falsche Idee zu investieren. Und ganz wichtig: Ein Prototyp ist nicht etwas, das du auf den Verbrauchermarkt bringen wirst.
Im Gegensatz dazu steht bei Variante b) ein Produktlaunch im Fokus. Das ist eine wichtige Unterscheidung. Wenn du ein Produkt entwickelst, investierst du eine Menge Geld nicht nur in die Entwicklung des Produkts, sondern auch in z.B. Marketing und Vertrieb.
Das große Risiko hierbei ist, dass wenn die Art des erwarteten Ergebnisses eines MVP nicht zwischen zwei Parteien geklärt ist, können schlimme Dinge passieren. Leider habe ich schon Fälle erlebt, in denen das passiert ist und es Unternehmen viel Geld gekostet hat.
Das Produktmanagement verlangte ein MVP, das aus ihrer Sicht ein Produkt war, das sie auf den Verbrauchermarkt verkaufen wollten. Die Entwicklungsabteilung auf der anderen Seite ging davon aus, einen Prototyp zu liefern. Man kann sich vorstellen, was für einen riesen Schaden die Organisation genommen hat, nachdem das Missverständnis klar geworden ist.
Lasst uns die Experten fragen
Für mich war klar, dass es zwei mögliche Ergebnistypen eines MVP gibt. Aber ich fragte mich, was andere Experten wohl denken. Also bin ich im Mai 2019 auf die Product People Konferenz in Köln gegangen und habe eine Session mit dem Titel „Wann ist ein MVP ein MVP?“ gehalten. Ich habe zwei verschiedene Entwicklungsphasen mit spezifischen Merkmalen vorgestellt:
a) Discovery
b) Delivery
c) Eine andere Variante: Ein Ergebnistyp, der nicht in die beiden obigen Kategorien passt
Kategorie | Teamgröße | #Iterationen | Ergebnistyp |
---|---|---|---|
Discovery | 2 – 7 Personen | 1 ( 1 – 14 Tage) | Prototyp |
Delivery | 1 – x Teams | x Iterationen (1 – 12 Wochen) | Produkt |
Andere Variante | ? | ? | ? |
Dann habe ich die Teilnehmer gebeten, zu entscheiden, in welche dieser beiden Phasen ein MVP aus ihrer Sicht gehört.
Nach dieser Übung habe ich ihnen verschiedene MVP Definitionen von Eric Ries, Marty Cagan, Jeff Patton und Frank Robinson vorgestellt und sie gefragt, zu welcher Phase diese Definitionen gehören.
Product People Ergebnisse
Wie auf den Bildern zu sehen ist, sind die Meinungen recht gleich verteilt. Die Session auf der Konferenz hat mir klarer gemacht, dass es wertvoll ist, in verschiedenen Ergebnistypen eines MVP zu denken und die Interpretationen der anderen zu diskutieren.
Mein Fazit
Ähnlich wie bei Agile oder Design Thinking, ist MVP ein Schlüsselbegriff, der sehr oft verwendet und unterschiedlich verstanden wird. Es ist müßig, eine perfekte Definition für ein MVP festzulegen. Stattdessen musst man ein gemeinsames Verständnis innerhalb des eigenen Arbeitsumfeldes darüber erlangen, was es bedeutet. Ansonsten kann die fehlende Klärung zu großen und schmerzhaften Missverständnissen führen.